Zugabe
5. Tour durch Dänemark | 3 Etappen| 66 km | 9.6.-11.6.17
Manchen mag es überraschen: wieder reise ich nach Dänemark, um auf dem Haervejen zu wandern.
Mein Startpunkt ist Viborg, wo der dänische Ochsenweg beginnt oder endet. Von dort geht es dieses Mal nicht nordwärts, sondern in südliche Richtung. Das Ziel ist Silkeborg, das Nørre-Snede nahe ist. Wer sich erinnert, weiß, dass ich dort meine zweite Haervejen-Tour wegen Schlechtwetter abbrach. Das hat mir keine Ruhe gelassen. Ich musste noch einmal los, um den Haervejen-Weg zu vollenden.
Mein ursprünglicher Plan war, Dänemark von Süd nach Nord, von Flensburg bis Skagen, auf einer einzigen Tour zu durchwandern. Plan B, auf dem E1 von Flensburg nach Grenaa zu gehen. Der Punkt der Entscheidung lag in Nr. Snede.
Woran ich nie dachte: unterwegs aufgeben. Aber genau das passierte! Kaltes und regnerisches Wetter zwang mich in die Knie, ich brach die Haervejen-Wanderung nach der zweiten Tour in Nr. Snede enttäuscht ab. Vielleicht beruhte der Abbruch aber auch auf mangelndem Training oder nicht angepasster Kalorienzufuhr. Ich berichtete davon.
Wieder zu Hause, entschied ich, nun Plan B umzusetzen. Jetzt sollte es nach Greena gehen, genau so, wie es der E1 vorgab. Die folgenden Etappen machten mehr Spaß, denn die Landschaft war interessanter und das Wetter besser. In Grenaa hätte meine Wanderung durch Dänemark enden können, denn das Ziel war ja erreicht.
Doch die ursprüngliche Idee, den Haervejen von Nord nach Süd vollständig abzugehen, ließ meine Gedanken nicht los. Der Plan A wollte umgesetzt sein. Ein innerer Zwang führte mich also zurück auf den Haervejen, um den Weg zu Ende gehen. Ich konnte nicht anders.
Diese letzte Tour in Dänemark ist auch die Schönste. In der Wegführung abwechslungsreich führt dieses Teilstück überwiegend durch ruhige Wälder weitab von störendem Verkehrslärm, den es ja auch in Dänemark gibt. Es ist ein Weg, wie ihn Wanderer mögen. Ich kann ihn sehr empfehlen.
Tag 1, Viborg > Hald Sø, 14km
Nach meiner Ankunft ist mein erstes Ziel der Dom von Viborg, von dem man sagen könnte, er sei Start oder Schlusspunkt des Haervejen. Obwohl doch viel schlichter als die Kathedrale von Santiago de Compostela, kommt mir der Viborger Dom gerade sehr bedeutend vor. Ziele, auf die man zustrebt, sind immer gewichtig. Der Dom hat in seinem Innern schöne Malereien zu bieten, die über Wirken und Sterben Jesu berichten. Ich schaue mir alles genau an und bleibe lange in der Kirche. Dann geht es durch die lange Einkaufsstraße von Viborg zurück, bald liegt die Stadt hinter mir. Ich bin gerade mitten im Wald, der Hedeplantage, da bricht der Regen los, der für den Nachmittag angesagt war. Er trifft mich nicht unvorbereitet, denn ich habe mich aufgrund des schlechten Wetters auf den vorangegangenen Touren mit neuer Regenbekleidung versorgt. Kaum habe ich sie angelegt, kübelt es wie aus Eimern. Es soll auch nicht mehr aufhören. Unter der Kapuze ist das Gesichtsfeld begrenzt, weshalb ich die alten, knorrigen Eichen, an denen ich vorbeilaufe, nicht recht wahrnehmen kann. Die alten Hohlwege, durch die ich stolpere, dafür um so mehr, denn sie füllen sich rasch mit Regenwasser, große Pfützen machen das Vorankommen schwierig.
Kurz vor Hald Sø stoße ich, vor Nässe triefend, auf ein gelb-weißes Hinweisschild, das typisch ist für den Haervejen. Es könnte zur Haervejen Herberge weisen, nach der ich schon eine Weile Ausschau halte. Ich folge dem angezeigten Weg und tatsächlich, da liegt das langgestreckte Gebäude der Herberge ved Hald Hovedgård. Die Tür steht weit offen, eine Gruppe dänisch sprechende Wanderer, die es sich in der Herberge bereits gemütlich gemacht haben, heißt mich willkommen. Ein paar der Etagenbetten an den langen Wänden sind noch frei. Eines von den oberen Betten wird für diese Nacht zu meinem. In der Herberge gibt es alles, was das Wanderherz begehrt: Dusche, Tisch, Stuhl und frisches Wasser. Während die Wandergruppe zum Abendessen den nahen Kro aufsucht, sitze ich mit einem dänischen Einzelwanderer zusammen und staune nicht schlecht, was er alles aus seinem Rucksack zaubert, während wir in Englisch unsere Wandergeschichten austauschen. Zuerst ein Sechserpack Bier, später eine Flasche Rum Captain Morgan, abgefüllt in eine 0,5l Plastikflasche, man muss ja auf das Gewicht achten! Als alle alkoholischen Vorräte vernichtet sind, gehen wir schwankend ins Bett. Kurz darauf purzelt die Wandergruppe herein, auch sie sind beschwingt und lustig. Nach und nach kehrt die Nachtruhe ein, hier und da unterbrochen von mehr oder weniger heftigem Schnarchen. Glücklicherweise habe ich mir vorsorglich Ohropax in die Ohren gesteckt.
Tag 2, Hald Sø -> Bolling Sø, 30km
Am frühen Morgen, als ich erwache, ist die Wandergruppe schon putzmunter. Mir ist es recht, denn ich will auch bald los, eine lange Strecke liegt vor mir. Ich sammle die zum Trocknen verstreuten Klamotten zusammen, alles ist wieder trocken, bis auf Rucksack und Wanderschuhe, die sich innen noch klamm anfühlen. Noch vor den anderen geht es für mich weiter. Schon vor acht Uhr bin ich am Niels Bugge's Kro vorbei, wo die Wandergruppe gestern gespeist hat. Der Kro macht einen gemütlichen Eindruck, hier hätte es sich sicher auch trefflich übernachten lassen.
Jetzt geht es am Ufer des Hald Sø entlang, von dem langgestreckten See ist jedoch nur ein Stück zu sehen, das größere Stück wird von der Halbinsel verdeckt, an deren Fuß es einen Hügel steil bergauf und weg vom See geht. Der Lohn des steilen Aufstiegs ist ein herrlicher Blick über See und Halbinsel und wenn man den Blick um einhundertachzig Grad wendet, sieht man den Heideweg, der sich über die nächsten Hügel schlängelt. Da geht es jetzt lang. Schön ist es hier!
In Skelhøje findet sich ein kleinen Supermarkt, der sich auf die Haervejen-Wanderer eingestellt hat. Ich kaufe frisch gebrühten Kaffee und süßes Brot. Mit diesen Extra-Kalorien setze ich mich draußen auf eine bereit gestellt Bank und genieße die warmen Sonnenstrahlen. Dankbar und gut gestärkt geht es weiter.
Es geht durch die Havredal Plantage. Hier gibt es mehr als fünfzig Hügelgräber zu entdecken. Die, die direkt am Wegesrand liegen, schaue ich mir genauer an, die anderen lasse ich links (und rechts des Weges) liegen. So spannend sind Hügelgräber auch nicht, dass ich sie mir alle ansehen muss.
Irgendwann komme ich an einem Haervejen Depot vorbei, einer kleinen Schatzkiste für Wanderer, die mit Snacks und heißem Wasser für Nescafé und Tee angefüllt ist. Gegen eine Kostenerstattung darf man sich nehmen, was bereit liegt. Mir steht der Sinn nach einer Prinzenrolle, damit es mit der Kalorienzufuhr für die nächsten Kilometer hinhaut. Diese Art von Depots soll es auf der Strecke zwischen Viborg und Nr. Snede alle zehn Kilometer geben.
Südlich von Thorning streift der Haervejen die Grathe Heide, ein mooriges Gebiet, das 1157 Schauplatz mehrerer Schlachten gewesen sein soll. Kaum vorstellbar, dass hier Menschen gegeneinander gekämpft haben. Ein Aussichtsturm gewährt einen guten Überblick über die gewaltigen Dimensionen des Moores. Ich finde es überwältigend!
Weiter geht es auf vom Regen gesättigten Waldpfaden. Unter den Wanderstiefeln federt der Waldboden, in Senken haben sich große Pfützen haben gebildet. Der Pfad gleicht einem Hindernisparcour. Ich erinnere mich an ein Erlebnis einer frühen Wanderung. Meine Stiefel versanken damals überraschend in einem Schlammloch, gerade als ich mich fragte, was das Wandern mir noch Neues geben könnte, ob ich nicht schon alles erlebt hätte. Ich war gerade dabei, mir eine falsche Antwort zu geben, da erhielt ich das Zeichen. Seitdem bin ich schon so weit gewandert und erlebe ständig weitere Abenteuer.
Nach dreißig Kilometern soll es für heute genug sein. Und tatsächlich, am Christianshøj steht ein Schild, das den Weg zum nahen Shelter weist. Das es ein Hinweisschild gibt, ist nicht immer selbstverständlich, wie ich auf dem Haervejen lernen musste. Manchmal muss man suchen. Wieder erwartet mich am Ende eines Wandertages eine komfortable Übernachtungsmöglichkeit. Heute ist der Unterschlupf von der Kommune gestellt. Er ist mit einem neuen, sauberen Shelter, einer Feuerstelle mit Grill (das findet man eigentlich immer), Brennholz, Brunnen mit Frischwasser, Mülleimer (sehr praktisch) und Luxus-Plumsklo ausgestattet. Genug Platz für ein paar Zelte ist auch vorhanden. Ich ziehe jedoch das Shelter vor, das Zelt bleibt im Rucksack. Ein Blick ins Gästebuch zeigt, wann jemand hier übernachtet hat. Das letzte Mal ist schon ein paar Tage her. Ich verbringe noch ruhige Stunden in der Abendsonne, die im Juni erst spät untergeht, bald wird Sonnenwende sein.
Tag 3, Bolling Sø -> Silkeborg, 22km
Ich habe verschlafen! Erst um halb neun krieche ich aus dem Schlafsack. Kalt war es nicht in der letzten Nacht, da bin ich schon Schlimmeres in Dänemark gewohnt.
Die Sonne scheint breit aus blauem Himmel, doch im Westen brauen sich dunkle Wolken unheilvoll zusammen.
Zunächst geht es in den Stenholt Skov, ein seit 1988 unter Naturschutz stehender Wald mit niedrig wachsenden Eichen. Das Besondere ist, das deren Stämme früher an den Wurzeln gekappt wurden, um kleine Schößlinge zu erzeugen, die als Weidezäune und Brennholz Verwendung fanden. Ähnliches habe ich in der Lüneburger Heide gesehen. Die zahlreich aufgestellten Infotafeln kann ich jedoch nicht in der gebotenen Ruhe lesen. Bleibe ich stehen, stürzen sich sogleich hunderte hungriger Mücken auf mich. Im Gehen lassen sie mich dagegen in Ruhe. Also weiter.
Nun geht es zum Bølling Sø, diesen See hat die Eiszeit geformt. Im 19.Jahrhundert wurde er trocken gelegt, um Ackerfläche zu schaffen. Doch er gab nur minderwertiges Land, Anfang diesen Jahrhunderts begann die Renaturierung. Manch Baum, der jetzt im Wasser steht, hat die Wiederbelebung nicht überlebt, davon zeugen zahlreiche Baumskelette am Wasser.
Ein einsam gelegenes Shelter liegt am Weg, bietet letzte Gelegenheit für eine Pause. Es beginnt wieder zu regnen, heute ist es aber nur Sprühregen. Und doch sinkt gleich die Laune. So viel hängt beim Wandern von gutem Wetter ab. Nun heißt es Abschied nehmen vom Haervejen, der weiter Richtung Nr.Snede zieht, ich aber will nach Silkeborg und das geht gerade aus. Zum Haervejen sage ich: "Auf Wiedersehen". Ein Stück geht es noch weiter durch den Wald, es folgen vereinzelt liegende Bauernhöfe, dann wird die Gegend allmählich urbaner. Hinter der Autobahnunterführung ist die Stadtgrenze erreicht, eine mäßig befahrene Umgehungsstrasse Richtung Innenstadt muss ich folgen. Der Sprühregen bleibt auch auf diesem langweiligen Weg mein ständiger Begleiter. Der Silkeborg Langsø liegt vor mir, über die viel befahrene Brücke des Søndre Ringsvej geht es auf die andere Seite. Ein kleiner Park, ein paar Häuser noch, dann liegt der Bahnhof vor mir und die Tour ist zu Ende. Der Zug geht erst in zwei Stunden, es bleibt also genug Zeit, um mich im 7eleven (diese Einkaufsmöglichkeit gibt es offenbar in jedem dänischen Bahnhof) mit Kaffee, Smothie und Pasta zu versorgen. Das verbleibende Wechselgeld schenke ich der netten Bedienung, die mich fragend anschaut. "Dänischen Kronen brauche ich nicht in Deutschland", gebe ich ihr zur Antwort. Sie versteht und lächelt.
Von Silkeborg geht es in nur dreißig Minuten nach Skanderborg. Für diese Strecke habe ich vor einigen Wochen einen ganzen Wandertag gebraucht. Ich steige in einen IC3 der Danske Statsbaner (DSB). Der silbrige Zug bringt mich direkt nach Hamburg. Diesen wulstigen Zugtyp, der jeder Aerodynamik trotzt, habe ich auf den Fahrten zu und von meinen dänischen Wanderzielen so oft genutzt und ins Herz geschlossen. Die Baureihe ist zwar schon seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Betrieb und nicht mehr taufrisch. Doch vielleicht gerade deshalb versprühen diese Züge einen besonderen Charme. Sie sind bequem ausgestattet, bieten viel Platz, fahren leise und haben freundliche und ruhige Menschen an Bord.
Alle Fotos findest du hier: Google Fotos.
Neu im Rucksack
Weil ich in Dänemark oft schlechtes Wetter und Regen erlebte, habe ich in Regenkleidung investiert:
- Patagonia Torrentshell Jkt Männer - Regenjacke: eine leichte (345g), effiziente Regenjacke, die sich sehr klein im Rucksack macht. Die Jacke ist angenehm zu tragen, auch, wenn man drunter nur ein Shirt mit kurzen Ärmeln trägt. Wärmen tut die Jacke naturgemäß nicht, sie dient ausschließlich dem Regenschutz. Zu beziehen bei Globetrotter, 140€
- Berghaus PacLite Pants Männer - Regenhose: wind- und wasserdicht bei geringem Gewicht (200g). Die Hose lässt sich ultraklein in dem mitgelieferten Packsack verstauen und nimmt fast keinen Platz im Rucksack ein. Auf nackten Waden trägt sich die Hose nicht unangenehm. Hält geringfügig warm, ist also eher für die Sommerzeit geeignet. Zu beziehen bei Globetrotter, 160€, gibt es in verschiedenen Beinlängen
Beide Teile konnte ich auf dieser Tour am ersten Nachmittag ausgiebig testen, denn es gab ja intensiven Starkregen. Sowohl Jacke als auch Hose haben sich als regendicht, atmungsaktiv und schnell trocknend erwiesen. Beide Teile kann ich weiter empfehlen.
Der Langzeittest steht natürlich noch aus. Ich werde beizeiten berichten.
Ich könnte Dänemark mit meinen Gedanken nun loslassen, mich auf neue Wanderziele fokussieren.
Obwohl... Da bleibt noch das "kleine" Stück von Viborg nach Skagen. Entweder auf der West- oder der Ostroute....200-250km. Wer weiß...Ob... Wann....Mit wem...